Leseprobe aus Rock Hate Nummer 5
In Ausgabe 5 gibt es den zweiten Teil von Christian Worch’s Lebenserinnerungen. Hier schon mal ein kleiner Auszug:
Der damals gerade 22 Jahre alt gewordene Michael Kühnen war ein
hochinteressanter Mann. Ich habe im Laufe meines Lebens gerade einmal
drei Menschen kennengelernt, die ich als mir selbst intellektuell
ebenbürtig angesehen habe. Es mag bizarr klingen, aber einer davon war
ein alter Jude, einer war eine Frau, und der dritte war ein Mann meines
Alters, von dem allgemein untestellt wird, er sei schwul gewesen. Ein
Jude, eine Frau, ein Schwuler…. Aber warum nicht? Ein echter
Intellektueller sieht über solche Äußerlichkeiten hinweg. Es gibt den
Begriff der „Seelenverwandtschaft“. Ich erkannte in diesem ersten
Gespräch Michael Kühnen als seelenverwandt und als ebenbürtig.
Natürlich erzählte er mir bei diesem ersten Gespräch nicht alles, aber
ich erfuhr es später peu a peu, und ich gebe es einfach mal so wieder,
als hätte ich es damals schon gewußt.
Kühnen, geboren im Juni 1955, war bereits mit 14 oder 15 in einem
katholischen Gymnasium der erste (und bundesweit einzige)
nationaldemokratische Schülersprecher gewesen. Er war nach dem Abitur
zur Bundeswehr gegangen, als „Zeitfreiwilliger“, wie es damals hieß, und
hatte die Offizierslaufbahn eingeschlagen. Als ich ihn kennenlernte,
war er Leutnant bei der Bundeswehr und Student an der Bundeswehrakademie
in Hamburg. Und er war Mitglied der Nxxxx/AO. Das war die Organisation,
die der US-Amerikaner (ein Deutsch-Amerikaner) Gerhard Rex Lauck
gegründet hatte und die sich drei Jahre vor den hier beschriebenenen
Ereignissen, als ich 18 gewesen war, im „Haus des Sports“ im Zuge einer
Veranstaltung von Thies Christophersen manifestiert hatte.
Die AO, wie sie szeneintern in Kurzschrift genannt wurde, hatte rund ein
halbes Jahr vorher ihr Schlüsselerlebnis gehabt. Es hatte im Herbst 1976
in Hannover einen von der NPD organisierten Fackelmarsch gegeben. In der
Dunkelheit bei Beginn hatte eine unbekannte Stimme gerufen: „AO nach
hinten!“ Und von den ungefähr 150 Teilnehmern hatten sich 50 tatsächlich
nach hinten begeben. Das hatte gewissermaßen das Kräfteverhältnis
„geclaimt“, wie man neudeutsch heute sagen würde.
Der Mann, der da gerufen hatte, war Paul Otte gewesen, später Stabschef
der illegalen SA.
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